Trauer um Prof. Dr. Hans-Peter Musahl

Zum Schluss wollte er wohl nicht mehr. Jahrelange, mehr oder weniger selbstgewählte Einsamkeit in seiner Gelehrten-Klause, geschunden von mehreren Altersgebrechen, das hatte ihn sichtlich zermürbt. Da war keine Kraft mehr zu kämpfen.

 

Und welch ein kämpferischer Mensch war er sein Leben lang! Vielleicht weil als Kriegskind geboren und in den schwierigen Nachkriegsjahren im ländlich-protestantischen Niedersachsen sozialisiert, musste er seinen Platz im Leben erst erkämpfen. Um studieren zu können, verpflichtete er sich nach dem Abitur zwei Jahre bei der Bundeswehr. Mit der anschließenden Abfindung und manchen Jobs als Jazz-Musiker finanzierte er sein Studium der Sozialwissenschaften und Psychologie in Hamburg und wechselte danach zur Promotion nach Frankfurt. Dort herrschten gerade die „wilden 68-er“, was sicher dazu beitrug, seine bis dahin unpolitische Orientierung nach links zu verschieben.

 

Sein großes verehrtes Leitbild wurde Willy Brandt - vor allem seinetwegen trat er 1972 der SPD bei. „Die SPD ist meine Heimat geworden“, bekannte er, als er Anfang 2013 vom Rheinberger SPD-Ortsverein für seine 40-jährige Mitgliedschaft geehrt wurde. Diesen Ortsverein hatte er selbst in den 90-iger Jahren vier Jahre lang geführt und war daher auch Mitglied im Vorstand des SPD-Unterbezirks Kreis Wesel gewesen.

 

Allen, die ihn von damals her kennen, wird er in Erinnerung bleiben durch seine kämpferischen Redebeiträge, seine pointierten Sentenzen (Beispiel: „Die Sozialisten waren schon immer die besseren Christen“) und die geschliffenen, manchmal auch barock ausufernden Wortmeldungen. Er war ein streitbarer Geist, bescheinigte ihm ein Parteifreund. So hat er sich – bis auf die letzten Jahre – auch in die Diskussionen der Arbeitsgemeinschaft 60plus in Rheinberg eingebracht.

 

Aber der Mittelpunkt seines Lebens war – neben seiner Familie – seine Arbeit als Lehrender und Wissenschaftler. Neben der Weitergabe wissenschaftlich methodischen Forschens und der Betreuung von Doktoranden erforschte er schwerpunktmäßig den Ablauf von Unfällen, auf der Straße und im Bergbau. 1996 habilitierte er sich an der Universität Duisburg mit einer Untersuchung betitelt: „Gefahrenkognition – Theoretische Annäherungen, empirische Befunde und Anwendungsbezüge zur subjektiven Gefahrenkenntnis“ – es war sein Hauptwerk. Eine besondere Genugtuung war es für ihn, als ihm im Jahr 2013 die „Gesellschaft für Sicherheitswissenschaft“ die „Compes-Medaille“ verliehen hat: Vor mehreren hundert Zuhörer*innen erhielt er in der Wiener Hofburg die Auszeichnung für „herausragende Leistungen im Bereich der Sicherheitswissenschaft.“ (Die Ehrung erinnert an den Gründer des wissenschaftlichen Fachbereichs Sicherheitstechnik, Peter Compes, von der Universität Wuppertal.)

 

Seine Freunde werden ihn in Erinnerung behalten als einen großzügigen, stets hilfsbereiten Menschen voller Empathie und unerschütterlicher Loyalität.

 

Hans-Peter Musahl starb am letzten Sonntag im Alter von 79 Jahren. Freunde haben ihn begleitet.

 

Siegfried Zilske